Nadelkissen, Katzenschlafplatz oder Kopfschutz?

Nähzeug Kopfbild 720x124

Baust, Bausch, Bäuschle

Datierung

1890 – 1940

Material/Technik

Baumwollsamt, Leinen, Getreidekörner

Inventarnummer

93/015/66

In der Sammlung des Freilichtmuseums Beuren tauchte zu Beginn der Tätigkeit einer jungen Praktikantin ein kleines Kissen aus Stoff auf. Der Gegenstand gab ihr Rätsel auf. Hatte er etwas mit „Nähen“ zu tun – eine Art Nadelkissen? Handelt es sich um ein kleines Kissen für die verwöhnte Hauskatze? Hing das runde Ding als Wohnschmuck zur Zierde an der Wand? Diese Fragen deuten darauf hin, dass das Objekt heute nicht mehr gebräuchlich ist.

Der Gegenstand entpuppte sich als ein „Tragekissen“, das in früheren Zeiten von Landfrauen benützt wurde. Ein „Tragekissen“ oder „Kopftragepolster“, auch „Baust“ genannt, ist ein ringförmiger Gegenstand, der meist aus verschiedenen Stoffstücken zusammengenäht wurde. Gefüllt ist das Polster mit Stoffresten, Spelzen oder Getreidekörnern. Vor allem Frauen benutzen dieses Hilfsmittel zum Transport schwerer Lasten auf dem Kopf, wie beispielsweise gefüllte Wassereimer oder beladene Körbe. Das Balancieren auf dem Kopf erfordert eine gewisse Geschicklichkeit. Bilder aus Afrika tauchen vor dem geistigen Auge auf – Afrika!?
So weit brauchen wir gar nicht zu gehen. Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein verwendeten Frauen auch in unserer Region dieses Polster. Hinweise von Zeitzeuginnen von der Schwäbischen Alb bestätigen diese Variante des Transportes.

Eine Verbindung besteht zwischen dem schwäbischen „Baust“ und einer „Gruobbank“. „Gruobbank“ – wieder ein Begriff für einen Gegenstand, der sich nicht sogleich erschließt. Das Wort beschreibt einen Ort, wo schwere Lasten abgestellt werden können. Eine Ruhebank. Diese Bänke wurden von der öffentlichen Hand, den Bürgermeisterämtern errichtet. Die massiven steinernen Möbel – manchmal auch aus Holz gefertigt – wurden meist oberhalb von Steigungen, wo eine Ruhepause benötigt wurde oder an Wegabzweigungen oder Wegkreuzungen errichtet. An solchen Stellen rasteten auch Frauen, die mittels „Baust/Bäuschle“ z. B. gefüllte Wassereimer vom Tal, hinauf auf die wasserarme Alb transportierten.

Im Freilichtmuseum des Landkreises Esslingen in Beuren, im Albdorf bei der Hüle, können Kinder bei einer museumspädagogischen Aktion spielerisch die Wasserknappheit der Schwäbischen Alb früherer Tage nachvollziehen. Mittels eines Tragejochs, das für beide Geschlechter in der Landwirtschaft Verwendung fand oder wahlweise besagtem „Bäuschle“ wird das kostbare Nass zu unterschiedlichen Orten transportiert. Gelächter, manch’ feuchte Kleidung und von Kopf und Bäuschle gerutschte Eimer oder Krüge, sind garantiert.