Vom Flachs zum Leinen

Flachs Kopfbild 720x124

Flachsschwinge

Datierung

2. Hälfte 19. Jahrhundert

Material/Technik

Buche, Eiche

Inventarnummer

11/008/01 (Schwingstock); 11/008/02 (Schwert)

Die Flachsschwinge, das sind eigentlich zwei Teile: einmal ein Schwingmesser oder Schwingschwert und zum anderen ein Schwingstock, ein senkrecht stehendes Brett, oben mit einem aus dem Holzstück herausgearbeiteten Bügel, unten mit einem angesetzten schweren Fuß aus zwei überkreuzten Vierkanthölzern. Regional gibt es Unterschiede bei der Benennung der Werkzeuge.

Schwert und Schwingstock aus der Sammlung des Freilichtmuseums sind aus stabilem Buchenholz, der Fuß des Schwingstocks ist aus Eiche. Eine schwarz-rote Verzierung des Schwertes und Einkerbungen am Schwingstock lassen vermuten, dass es sich bei der Flachsschwinge wahrscheinlich um eine Gabe für die Aussteuer handelt.

Bevor die Flachsschwinge zum Einsatz kam, musste der Flachs erst vorbereitet werden. Flachs oder Lein, als Faserlein („Leinen“) oder Öllein („Leinöl“) gezüchtet und angebaut, ist eine Pflanze mit blauen oder weißen Blüten. Der auf der Schwäbischen Alb angebaute Flachs war wegen seiner guten Faserqualität regional geschätzt. Nachdem die Pflanze geerntet („Raufen“), geröstet („Rotten“) und getrocknet („Darren“) wurde, folgte das Riffeln, bei dem die Leinsamen von den Stängeln entfernt wurden. Die Stängel haben einen hohen Holzanteil, der nach dem Rösten deutlich zu sehen ist. Für die weitere Verwendung mussten die Stängel gebrochen werden, erst dann konnten die holzigen Bruchstücke durch Schwingen entfernt werden. Übrig bleiben die weichen Fasern des Flachses.

Das Schwingen war eine anstrengende Tätigkeit und erforderte viel Geschicklichkeit. Eine falsche Bewegung oder ein zu kräftiger Schlag kostete wertvolle Fasern. Zum Schwingen wurde das Flachsbüschel über die obere flache Kante des Schwingstocks gelegt. Gearbeitet wurde sitzend an der geschlossenen Stirnseite, so, dass das Schwingmesser den Schwingstock in der Breite als Streichbrett nutzen konnte. Mit dem hölzernen Schwingschwert, zunächst mehr abstreifend und reibend als schlagend, wurden dann die losen hölzernen Stengelteile entfernt. Weil das Schwingen eine staubige Angelegenheit war, fand es im Freien, in der Scheune oder im Schopf statt. Flachsschwingen war meist aber auch eine gesellige Tätigkeit, ein „Weibergeschäft“, bei dem Frauen hauptsächlich unter sich waren.

Die Verarbeitungsweise und die Arbeitsgeräte bei der Flachsaufbereitung veränderten sich über die Jahrhunderte kaum. Im 19. Jahrhundert wurde dann die Aufbereitung, auch das Schwingen, weitgehend von Maschinen übernommen. Die hier vorgestellte Flachsschwinge hat kaum Gebrauchsspuren, sie dürfte also bereits mehr als eine Reminiszenz an die „gute alte Zeit“ betrachtet worden sein, denn tatsächlich noch in Gebrauch gewesen sein.

Neugierig geworden? Kinder und Jugendliche haben die Möglichkeit, sich im Freilichtmuseum Beuren einmal selbst an der Flachsschwinge zu versuchen. Bei der Aktion „Vom Flachs zum Leinen“ können Schulklassen die Flachsaufbereitung Schritt für Schritt „learning by doing“ nachvollziehen.